Viele Eltern, deren Kinder mit ADHS oder Autismus in der Regelschule an Grenzen stoßen, stellen sich irgendwann die Frage: Wäre eine Privatschule die bessere Lösung? Kleinere Klassen, mehr individuelle Förderung, oft ein wertschätzenderes Miteinander – klingt vielversprechend. Aber ist das wirklich so? Und was bedeutet das konkret für Kinder mit besonderen Bedürfnissen?
Was ist eine Privatschule?
Privatschulen – auch freie Schulen genannt – sind Schulen in freier Trägerschaft. Träger können kirchliche Einrichtungen, gemeinnützige Vereine, Elterninitiativen oder Bildungskonzerne sein. Die Inhalte richten sich in der Regel nach den staatlichen Lehrplänen, oft aber mit eigenen pädagogischen Konzepten und Schwerpunkten.
Typisch für Privatschulen:
- staatlich anerkannt oder genehmigt
- Finanzierung teilweise über Schulgeld (je nach Träger und Modell)
- kleinere Klassen und eigene Auswahlverfahren
- häufig alternative oder reformpädagogische Ansätze
Stärken von Privatschulen
- kleinere Lerngruppen ermöglichen mehr individuelle Zuwendung
- flexiblere Methoden: z. B. jahrgangsübergreifendes Lernen, Projektarbeit, Portfolioarbeit
- oft mehr Zeit für Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenzen
- engere Zusammenarbeit mit den Eltern
- oft weniger Konkurrenz- und Notendruck – Fokus auf Entwicklung statt Bewertung
- bei geeigneter Leitung: hohe Offenheit für ADHS, Autismus & Inklusion
Herausforderungen – besonders bei ADHS und Autismus
- nicht jede Privatschule ist automatisch inklusiv – manche wählen sehr bewusst aus, um ein „ruhiges Klassenklima“ zu wahren
- Schulgeld kann zur Belastung werden, besonders bei mehreren Kindern oder zusätzlicher Förderung
- pädagogische Konzepte (z. B. freie Arbeitszeiten, hohe Selbststeuerung) sind nicht immer geeignet für Kinder mit Strukturbedarf
- Ausstattung, Personal und Förderangebote schwanken stark zwischen den Einrichtungen
- keine Garantie für Sonderpädagogik oder Schulbegleitung – das muss oft zusätzlich organisiert werden
Einschätzung bei ADHS:
Privatschulen können Kindern mit ADHS helfen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- geringe Gruppengröße mit ruhigem Setting
- feste Bezugspersonen
- klare, transparente Abläufe – trotz freier Unterrichtsformen
- Zeit und Raum für Bewegung
- wertschätzende, positive Fehlerkultur
Wichtig ist, dass das Kind nicht allein gelassen wird mit Selbstverantwortung – viele ADHS-Kinder brauchen klare Impulse, Aufgabenrahmen und Unterstützung bei der Planung.
Einschätzung bei Autismus:
Für Kinder mit Autismus bieten manche Privatschulen eine wunderbare Alternative, insbesondere wenn:
- der Schulalltag planbar, ruhig und reizarm gestaltet ist
- persönliche Rückzugsorte verfügbar sind
- klare Strukturen herrschen – auch in der Kommunikation
- soziale Erwartungen realistisch formuliert werden
- feste Routinen gelebt werden
Problematisch wird es, wenn der Fokus zu stark auf sozialem Miteinander oder Gruppenprozessen liegt oder wenn der Unterricht sehr frei und ungeplant abläuft.
Was hilft in der Praxis?
- Vorab Gespräche führen mit Schulleitung und potenziellen Lehrkräften
- Schnuppertag vereinbaren, ggf. mit Elternbegleitung
- pädagogisches Konzept genau prüfen: passt es zur Lebensrealität deines Kindes?
- Nachteilsausgleich schriftlich vereinbaren – auch an Privatschulen möglich
- bei Bedarf: Schulbegleitung über Jugendamt oder Pflegekasse prüfen
Fazit:
Privatschulen sind keine Wunderlösung – aber manchmal der passende Raum für Kinder, die im Regelsystem untergehen. Es kommt auf die Haltung, die Menschen und das konkrete Konzept an. Wichtig ist, nicht vom Ruf oder Hochglanzprospekt blenden zu lassen, sondern ehrlich zu prüfen: Passt diese Schule zu meinem Kind – oder zu meinem Wunschbild?

