Warum eine Maßnahme allein oft nicht reicht
ADHS ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die sich auf viele Lebensbereiche auswirkt: Verhalten, Lernen, Emotionen, Beziehungen. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass eine einzelne Therapieform selten alle Herausforderungen abdeckt. Stattdessen braucht es oft ein Zusammenspiel – eine sogenannte Kombinationstherapie.
Was bedeutet „Kombinationstherapie“ bei ADHS?
Der Begriff beschreibt das gezielte Zusammenwirken mehrerer therapeutischer Maßnahmen. Ziel ist es, nicht nur Symptome zu lindern, sondern die Lebensqualität des Kindes ganzheitlich zu verbessern.
Typische Kombinationen sind z. B.:
- Medikamentöse Behandlung + Verhaltenstherapie
- Elterntraining + Lerncoaching
- Ergotherapie + Schulbegleitung
- Medikation + Sportangebot + Elternberatung
Wichtig ist dabei nicht die Anzahl der Bausteine, sondern ihre individuelle Passung zum Kind und zur Familiensituation.
Was zeigt die Forschung?
Eine der bedeutendsten Studien zum Thema stammt aus den USA: die MTA-Studie (Multimodal Treatment Study of Children with ADHD). In dieser groß angelegten Untersuchung wurde untersucht, wie verschiedene Behandlungsformen wirken – einzeln und kombiniert.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Die Kombination aus Medikation und Verhaltenstherapie war am wirksamsten – insbesondere bei ausgeprägter Symptomatik.
- Elternarbeit und begleitende Maßnahmen verbesserten das Familienklima und die Alltagsbewältigung.
- Alleinige Medikation zeigte kurzfristig gute Wirkung auf die Kernsymptome – aber ohne begleitende Unterstützung fehlte oft der Transfer in den Alltag.
- Die Qualität der Umsetzung war entscheidend: Gute Fachbegleitung wirkt stärker als „viel hilft viel“.
Fazit: Multimodale Ansätze sind besonders effektiv, wenn sie gut abgestimmt, praxisnah und realistisch sind.
Was bedeutet das für Familien?
In der Realität bedeutet Kombinationstherapie nicht, dass alles gleichzeitig laufen muss. Vielmehr geht es darum, die passenden Bausteine in der richtigen Reihenfolge und Dosierung zu finden.
Möglicher Ablauf in der Praxis:
- Diagnose + Erstgespräch mit Fachärztin oder -arzt
- Aufklärungsgespräch mit den Eltern, evtl. Entscheidung über Medikation
- Beginn einer Verhaltenstherapie oder eines Elterntrainings
- Ergänzend Lerncoaching oder Schulbegleitung
- Bewegung oder Entlastungsangebote als stabilisierende Maßnahme
Wichtig: Es ist ein Prozess – mit Phasen der Stabilisierung, Rückschritte, neuen Herausforderungen. Eine gute Begleitung achtet nicht nur auf Symptome, sondern auch auf Entlastung, Ressourcen und Beziehungsebene.
Chancen von Kombinationstherapien
- Stärkere und nachhaltigere Wirkung als Einzelmaßnahmen
- Mehr Lebensbereiche abgedeckt (Familie, Schule, Freizeit)
- Individuelle Stärken und Schwächen werden berücksichtigt
- Bessere Selbstwirksamkeit des Kindes – „Ich kann etwas verändern“
- Weniger Schuldgefühle bei Eltern – durch Verstehen und Mitwirken
Herausforderungen und Grenzen
- Hoher Koordinationsaufwand: Termine, Kommunikation mit verschiedenen Fachstellen
- Verfügbarkeit: Nicht jede Region bietet alle Maßnahmen an
- Kostenübernahme: Manche Angebote müssen privat bezahlt werden
- Überforderung vermeiden: Zu viele Maßnahmen gleichzeitig können Kinder und Familien zusätzlich belasten
Deshalb ist eine gute Abstimmung zwischen Fachkräften wichtig – und die Bereitschaft, Angebote auch mal zu pausieren oder anzupassen.
Für wen ist Kombinationstherapie besonders sinnvoll?
- Kinder mit ausgeprägter ADHS-Symptomatik
- Kinder mit weiteren Auffälligkeiten (z. B. Ängste, Lernstörungen, familiäre Belastungen)
- Familien mit hohem Unterstützungsbedarf
- Wenn Einzelmaßnahmen nicht ausreichen oder wenig Wirkung zeigen
Auch für Kinder, bei denen eine Medikation aus verschiedenen Gründen nicht infrage kommt, kann eine Kombination mehrerer nicht-medikamentöser Bausteine eine tragfähige Alternative sein.
Fazit: Zusammenspiel statt Einzellösung
Kombinationstherapien sind kein Luxus, sondern oft der realistische Weg zu einer wirksamen Unterstützung. Entscheidend ist, dass die Maßnahmen zusammenpassen, regelmäßig überprüft und gemeinsam mit Fachleuten gestaltet werden.
Wenn du als Elternteil gut informiert bist, kannst du gezielt nach passenden Angeboten fragen, Prioritäten setzen – und deinem Kind helfen, Schritt für Schritt einen besseren Umgang mit ADHS zu entwickeln.

