Bewegung bei ADHS

Warum Bewegung bei ADHS nicht nur ein „netter Ausgleich“ ist

Kinder mit ADHS fallen oft durch ihren Bewegungsdrang auf – sie zappeln, rennen, wippen, springen. Was viele als störend empfinden, ist in Wahrheit oft ein Versuch des Gehirns, sich selbst zu regulieren. Genau hier setzt die Sport- und Bewegungstherapie an. Sie macht sich die natürlichen Bedürfnisse dieser Kinder zunutze – und hilft, sie sinnvoll zu kanalisieren.

Was bringt Bewegung bei ADHS?

Sportliche Aktivität wirkt nicht nur körperlich, sondern auch auf geistiger und emotionaler Ebene. Zahlreiche Studien zeigen: Regelmäßige Bewegung kann die Konzentrationsfähigkeit steigern, Stress abbauen, die Impulsivität reduzieren und das soziale Verhalten positiv beeinflussen.

Bei Kindern mit ADHS ist das besonders wichtig, da sie häufig unter einer gestörten Reizfilterung, niedriger Frustrationstoleranz und einer hohen inneren Unruhe leiden.

Mögliche positive Effekte im Überblick:

  • Verbesserung der Aufmerksamkeitsspanne
  • Abbau von körperlicher Unruhe
  • Stärkung der Emotionskontrolle
  • Förderung von Teamfähigkeit und sozialem Lernen
  • Aufbau von Selbstwertgefühl durch Erfolgserlebnisse

Welche Bewegungsformen eignen sich?

Nicht jede Sportart passt zu jedem Kind – das Wichtigste ist, dass Freude und Regelmäßigkeit im Vordergrund stehen. Ideal sind strukturierte Angebote, die klare Regeln mit ausreichend Freiraum kombinieren.

Geeignete Bewegungsformen:

  • Ausdauersportarten: Schwimmen, Joggen, Radfahren – gleichmäßige Bewegungsabläufe wirken beruhigend auf das Nervensystem.
  • Teamsportarten: Fußball, Handball, Basketball – fördern soziale Interaktion, Durchhaltevermögen und Regelverhalten (sofern gut angeleitet).
  • Kampfsportarten: Judo, Karate, Taekwondo – hier steht Disziplin im Fokus, gleichzeitig kann überschüssige Energie abgebaut werden.
  • Bewegungstherapien: Psychomotorik, Tanz-, Reit- oder Klettertherapie – individuell begleitet, oft mit zusätzlichen pädagogischen Zielen.
  • Yoga & Achtsamkeitstraining: Auch ruhigere Formen können bei entsprechender Anleitung hilfreich sein – vor allem zur Schulung der Körperwahrnehmung.

Fallbeispiel: Tim (9 Jahre)

Tim ist ständig in Bewegung – er läuft durch die Wohnung, hüpft beim Essen auf dem Stuhl und hat in der Schule große Schwierigkeiten, still zu sitzen. Nach einem Vorgespräch mit dem Kinderarzt beginnt er mit einem Psychomotorik-Kurs. Dort darf er klettern, springen, balancieren – aber immer mit klaren Aufgaben und Feedback. Nach einigen Wochen bemerkt die Familie: Tim kann besser „runterkommen“, schläft leichter ein und meistert Alltagssituationen ruhiger.

Grenzen der Bewegungstherapie

So hilfreich Bewegung sein kann – sie ersetzt keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung. Kinder mit ADHS brauchen oft ein individuelles Paket aus verschiedenen Maßnahmen. Außerdem gilt:

  • Nicht jedes Kind mag Sport – Zwang ist kontraproduktiv
  • Überfordernde Sportarten (z. B. zu viele Reize, laute Hallen) können Gegenteiliges bewirken
  • Der Effekt ist nicht sofort sichtbar – Regelmäßigkeit ist entscheidend
  • Die pädagogische Qualität des Angebots ist zentral – nicht jede Sportgruppe ist geeignet

Wie kann man als Familie unterstützen?

Auch im Alltag kann Bewegung bewusst eingebaut werden – ohne Vereinsstruktur oder Therapiekontext.

Ideen für mehr Bewegung im Alltag:

  • Gemeinsame Spaziergänge oder Fahrradtouren
  • Bewegungspausen bei den Hausaufgaben
  • Trampolin im Garten
  • Musik an und tanzen
  • Sportspiele wie Völkerball, Brennball oder Fangspiele
  • Schnitzeljagd oder Geocaching

Wichtig: Spaß, Freiwilligkeit und kein Leistungsdruck – gerade Kinder mit ADHS haben oft schon viele Misserfolge erlebt.

Für wen ist Bewegung besonders geeignet?

Sport- und Bewegungstherapie eignet sich für fast alle Kinder mit ADHS – egal ob mit oder ohne Medikation, ob mit starkem Bewegungsdrang oder innerer Unruhe. Auch bei begleitenden Problemen wie Angst, Schulverweigerung oder geringem Selbstwert kann Bewegung eine wertvolle Ressource sein.

Fazit: Bewegung ist kein Bonus – sie ist Teil der Lösung

Sport- und Bewegungstherapie ist mehr als ein Auspowern. Sie ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Körper und Psyche verbindet. Für viele Kinder mit ADHS ist sie ein sicherer Anker im Alltag, der hilft, sich selbst besser zu spüren, zu regulieren und Herausforderungen aktiv zu begegnen.

Avatar von Heiko

Von Heiko

Autor des Ratgebers AD(H)S bei Kindern bis 12 Jahren

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