Warum nicht nur das Kind Hilfe braucht – sondern das ganze System
Wer ADHS hört, denkt zuerst an zappelige Kinder, Konzentrationsprobleme oder Impulsivität. Was oft übersehen wird: ADHS betrifft immer das gesamte Familiensystem. Denn die Symptome des Kindes fordern auch die Eltern – täglich, stundenweise, oft bis an die Grenzen.
Hier setzt das Elterntraining an: Es stärkt die Erwachsenen. Gibt ihnen Werkzeuge an die Hand. Und hilft ihnen, aus dem Reaktionsmodus in eine aktive Gestaltung zu kommen.
Was genau ist ein Elterntraining?
Ein Elterntraining ist keine Therapie für das Kind, sondern eine strukturierte Begleitung für die Bezugspersonen – in der Regel die Eltern. Es geht darum, Verständnis, Handlungsfähigkeit und Zuversicht im Umgang mit ADHS zu fördern.
Elterntrainings…
- vermitteln grundlegendes Wissen über ADHS
- bieten praxisnahe Erziehungshilfen für typische Alltagssituationen
- fördern reflektiertes Handeln statt impulsiver Reaktionen
- stärken das Selbstvertrauen der Eltern
- helfen dabei, Konflikte zu vermeiden oder besser zu lösen
Das Ziel: Ein sicherer, liebevoller Rahmen, in dem das betroffene Kind gedeihen kann – trotz ADHS.
Wie läuft ein Elterntraining ab?
Die meisten Trainings bestehen aus mehreren Sitzungen (6–12 Einheiten), entweder in der Gruppe oder als Einzelberatung. Typische Elemente:
- Informationen zu Ursachen, Symptomen und Alltagsauswirkungen von ADHS
- Verhaltensstrategien: Wie reagiere ich auf Wut, Verweigerung, Unruhe?
- Stärkung der Beziehung: Wie bleibe ich in Kontakt, auch wenn’s schwierig ist?
- Kommunikation: Wie formuliere ich klare Regeln, ohne zu drohen oder zu schreien?
- Strukturen und Rituale: Wie schaffe ich Ordnung im Alltag?
- Selbstfürsorge: Wie kann ich meine eigenen Kraftquellen schützen?
Bewährte Programme wie THOP, Triple P, Starke Eltern – starke Kinder oder Barkley folgen klaren Konzepten, die wissenschaftlich evaluiert sind.
Was bringt ein Elterntraining – und was nicht?
Das kann ein Elterntraining leisten:
Mehr Sicherheit im Alltag
Weniger Eskalationen, mehr Klarheit
Besseres Verständnis für das Verhalten des Kindes
Stärkung der elterlichen Handlungsfähigkeit
Entlastung durch Austausch mit anderen Eltern
Prävention von Verzweiflung, Resignation oder Überforderung
Das kann ein Elterntraining nicht:
Es ersetzt keine Therapie für das Kind, wenn diese notwendig ist
Es wirkt nicht ohne Bereitschaft zur Veränderung
Es greift nicht, wenn andere Familienmitglieder nicht mitziehen
Es bringt keinen kurzfristigen Erfolg ohne Übung und Geduld
Für wen ist ein Elterntraining sinnvoll?
Grundsätzlich: Für alle Eltern von Kindern mit ADHS, am besten frühzeitig nach der Diagnose.
Besonders hilfreich ist ein Elterntraining, wenn…
- der Alltag von ständigen Konflikten geprägt ist
- das Gefühl entsteht, „alles schon versucht“ zu haben
- der Stress in der Familie überhandnimmt
- Eltern sich allein gelassen, überfordert oder erschöpft fühlen
- Unsicherheiten über die richtige Herangehensweise bestehen
Auch getrennt lebende Elternteile profitieren von einem gemeinsamen Verständnis.
Wo finde ich ein gutes Elterntraining?
Elterntrainings werden angeboten von:
- Erziehungsberatungsstellen
- Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ)
- Kinder- und Jugendpsychiatrien
- ADHS-Ambulanzen
- niedergelassenen Therapeut*innen
- einigen Jugendämtern (kostenfrei)
Die Teilnahme ist häufig kostenlos oder wird durch die Krankenkasse oder öffentliche Träger finanziert. Eine kurze Recherche im Wohnortbereich hilft, passende Angebote zu finden.
Fazit: Wenn Eltern sicherer werden, profitieren alle
Ein Elterntraining ist keine Schwäche – es ist eine Stärke, sich Unterstützung zu holen.
Denn Eltern von ADHS-Kindern leisten oft enorm viel. Sie vermitteln, organisieren, beruhigen, ermutigen – und stoßen dabei oft an ihre Belastungsgrenzen. Ein gutes Elterntraining setzt genau hier an: es stärkt, klärt, verbindet. Es zeigt neue Wege auf – nicht perfekt, aber alltagstauglich.
Und es sendet ein wichtiges Signal: „Du bist nicht allein. Und du musst nicht alles selbst wissen.“

