Ergotherapie bei ADHS

Alltag lernen, Strukturen aufbauen, sich selbst besser steuern

Ergotherapie kennen viele eher aus dem Bereich der motorischen Förderung – etwa bei Entwicklungsverzögerungen oder nach Verletzungen. Doch auch bei ADHS kann sie eine wichtige Unterstützung bieten. Gerade dann, wenn das Kind im Alltag immer wieder an denselben Punkten scheitert: sich schlecht konzentrieren kann, Aufgaben nicht zu Ende bringt, keine Reihenfolge einhält oder körperlich unruhig ist.

In diesem Beitrag erfährst du, was Ergotherapie bei ADHS leisten kann, wie sie abläuft und wo ihre Grenzen liegen.

Was ist Ergotherapie eigentlich?

Ergotherapie zielt darauf ab, Menschen dabei zu helfen, ihren Alltag selbstständig und strukturiert zu bewältigen. Bei Kindern mit ADHS geht es dabei oft um die Förderung von Aufmerksamkeit, Selbstregulation, Feinmotorik, Handlungsplanung und Strukturverständnis.

Das Training ist spielerisch, aber gezielt aufgebaut – mit einem klaren therapeutischen Konzept dahinter. Im Zentrum stehen immer die individuellen Schwierigkeiten des Kindes, zum Beispiel:

  • sich auf eine Aufgabe einzulassen
  • bei einer Sache zu bleiben
  • Handlungen sinnvoll zu planen
  • Reize zu verarbeiten
  • Übergänge (z. B. von Spielen zu Hausaufgaben) gut zu bewältigen

Ergotherapeut*innen arbeiten dabei ressourcenorientiert: Was klappt schon gut – und wie kann man darauf aufbauen?

Wie läuft eine Ergotherapie ab?

  1. Anfangsdiagnostik und Zielsetzung
    – Was sind die konkreten Alltagsprobleme?
    – Welche Fähigkeiten sollen gestärkt werden?
  2. Individuelles Training (1–2x pro Woche, meist über mehrere Monate)
    – Übungen zur Aufmerksamkeit und Selbststeuerung
    – Förderung der Körperwahrnehmung
    – Training von Handlungsplanung und Struktur
    – Aufgaben zur Verbesserung der Fein- und Grobmotorik
    – spielerische Elemente zur Reizverarbeitung und Frustrationstoleranz
  3. Elterneinbindung und Beratung
    – Wie können Eltern das Gelernte zu Hause unterstützen?
    – Was hilft bei der Übertragung in Alltag und Schule?

Wichtig: Ergotherapie ist mehr als „spielen“ – auch wenn es für das Kind so wirkt. Die Fachkräfte verfolgen gezielt therapeutische Ziele, beobachten, reflektieren und passen die Förderung laufend an.

Für welche Kinder ist Ergotherapie bei ADHS sinnvoll?

Ergotherapie eignet sich besonders für Kinder mit:

  • Kombinierten Auffälligkeiten (z. B. ADHS + Koordinationsprobleme)
  • Alltagspraktischen Schwierigkeiten (z. B. Anziehen, Schultasche packen, Hausaufgaben beginnen)
  • Geringer Ausdauer oder Unruhe bei Alltagsaufgaben
  • Reizüberflutung oder Problemen bei der Selbstregulation
  • Schwierigkeiten, eine Reihenfolge einzuhalten oder Aufgaben zu strukturieren

Auch Kinder mit feinmotorischen Auffälligkeiten (z. B. beim Schreiben) profitieren häufig.

Was bringt Ergotherapie – und was nicht?

Das kann Ergotherapie leisten:

Alltag vereinfachen: z. B. Morgenroutinen, Hausaufgaben, Anziehen
Konzentration und Ausdauer fördern
Selbstvertrauen stärken durch Erfolgserlebnisse
Eltern stärken durch begleitende Gespräche
körperliche Unruhe abbauen durch gezielte Bewegungsangebote
Strukturgefühl und Handlungsplanung trainieren

Das kann Ergotherapie nicht:

Sie ersetzt keine psychologische Therapie – etwa bei tiefgreifenden emotionalen Problemen
Sie wirkt nicht direkt auf die neurologischen Ursachen von ADHS
Sie bringt nur begrenzt etwas, wenn Kind oder Familie nicht mitziehen
Sie kann ohne gute Zusammenarbeit mit Schule und Eltern ins Leere laufen

Wer verordnet Ergotherapie – und wie bekommt man sie?

Ergotherapie wird in der Regel von Kinderärztinnen oder Kinder- und Jugendpsychiaterinnen verordnet, wenn eine entsprechende Diagnose vorliegt. In vielen Fällen erfolgt die Finanzierung über die gesetzliche Krankenkasse – insbesondere, wenn eine Entwicklungsstörung oder motorische Auffälligkeiten vorliegen.

Wichtig ist: Die Ergotherapie sollte nicht auf bloßes „Austoben“ reduziert werden, sondern ein fundiertes, individuell angepasstes Konzept verfolgen. Ein Kennenlerntermin vorab lohnt sich – so lässt sich schnell feststellen, ob die Chemie stimmt.

Fazit: Ergotherapie als alltagsnahe Ergänzung

Ergotherapie kann bei ADHS eine hilfreiche Ergänzung sein – vor allem dann, wenn das Kind im Alltag immer wieder „aus dem Tritt“ kommt. Sie schafft Raum zum Üben, zum Strukturieren und zur Selbstwahrnehmung. Und sie holt das Kind dort ab, wo es gerade steht – mit einem klaren Ziel: mehr Selbstständigkeit, Sicherheit und Handlungsfähigkeit im Alltag.

Im Idealfall greift sie dabei nicht isoliert, sondern verzahnt mit anderen Maßnahmen – z. B. mit Elterntraining, schulischer Unterstützung oder medikamentöser Behandlung.

Avatar von Heiko

Von Heiko

Autor des Ratgebers AD(H)S bei Kindern bis 12 Jahren

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