Neurofeedback bei ADHS

Hirnströme sichtbar machen – und gezielt trainieren

Neurofeedback klingt für viele Eltern zunächst futuristisch: Gehirntraining am Bildschirm, mit Elektroden auf dem Kopf – kann das wirklich helfen? In diesem Artikel erfährst du, wie die Methode funktioniert, was wissenschaftlich belegt ist und für wen sie sich tatsächlich eignet. Denn wie bei vielen Therapieformen bei ADHS gilt auch hier: Es gibt Chancen – aber auch klare Grenzen.

Was ist Neurofeedback?

Neurofeedback ist eine spezielle Form des Biofeedbacks. Dabei wird die elektrische Aktivität des Gehirns (EEG) in Echtzeit sichtbar gemacht. Kinder lernen durch Rückmeldung, bestimmte Gehirnzustände – etwa Konzentration oder Entspannung – bewusst herzustellen und zu stabilisieren.

Das Verfahren ist nicht invasiv und völlig schmerzfrei: Über kleine Elektroden am Kopf werden Hirnströme gemessen, auf einem Bildschirm in Form von Videos, Spielen oder Animationen dargestellt – und dann über ein Belohnungssystem gezielt „trainiert“.

Beispiel: Wenn das Kind konzentriert bleibt, fährt ein Auto geradeaus oder ein Spielfigur bewegt sich wie gewünscht. Lässt die Aufmerksamkeit nach, stoppt die Animation – das Gehirn wird so langsam zur gewünschten Aktivität „gelernt“.

Wie läuft eine Neurofeedback-Therapie ab?

Eine vollständige Behandlung umfasst in der Regel:

  1. Vorgespräch und Diagnostik
    – Einschätzung der ADHS-Symptome, Klärung der Zielsetzung
    – ggf. EEG-Ableitung zur Bestimmung des Trainingsprotokolls
  2. Therapieeinheiten (meist 20–40 Sitzungen)
    – 1–2 Termine pro Woche à ca. 45–60 Minuten
    – Training am Computer mit Echtzeit-Rückmeldung
    – Kind erhält unmittelbare visuelle oder akustische Reize, je nach Hirnaktivität
  3. Begleitgespräche mit Eltern oder Pädagog*innen
    – Ziel: Transfer in den Alltag, Beobachtung von Veränderungen

Wichtig: Neurofeedback ist kein Computerspiel, sondern ein gezieltes Trainingsverfahren. Es funktioniert nur, wenn das Setting ruhig, professionell und auf das Kind abgestimmt ist.

Was kann Neurofeedback bewirken?

Viele Studien zeigen, dass Neurofeedback positiv auf Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation wirken kann – besonders bei Kindern mit ADHS. Vorteile der Methode:

  • Bessere Konzentration in Schule und Alltag
  • Reduktion von Impulsdurchbrüchen und Unruhe
  • Stärkung der Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle
  • Keine Medikamente erforderlich

Manche Kinder profitieren spürbar – sie werden fokussierter, ruhiger, ausdauernder. Für Kinder, die Medikamente nicht vertragen oder nicht einnehmen möchten, ist es eine interessante Alternative.

Grenzen und Kritik

So überzeugend die Idee klingt – es gibt auch kritische Stimmen. Die Wirksamkeit von Neurofeedback ist nicht bei allen Kindern gleich gut belegt:

  • Studienergebnisse sind teils widersprüchlich, da Methoden und Qualitätsstandards stark variieren
  • Die Therapie ist zeit- und kostenintensiv – und wird nicht immer von den Krankenkassen übernommen
  • Der Transfer in den Alltag ist nicht automatisch gegeben – eine begleitende Unterstützung durch Eltern oder Schule ist essenziell
  • Es braucht Motivation, Ausdauer und ein gutes Setting – nicht jedes Kind kann davon profitieren

Ein weiteres Problem: Der Begriff „Neurofeedback“ ist nicht geschützt. Es gibt große Qualitätsunterschiede bei Anbietern. Eine fundierte Ausbildung und fachliche Begleitung sind entscheidend.

Für wen ist Neurofeedback geeignet?

Neurofeedback kann ein sinnvoller Baustein sein für:

  • Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen, die medikamentöse Behandlung vermeiden möchten
  • Familien, die nach einer ergänzenden Maßnahme suchen
  • Kinder, die motiviert und offen für technische Verfahren sind
  • ADHS in Kombination mit z. B. Schlafproblemen oder sensorischer Überempfindlichkeit

Voraussetzung ist aber: Regelmäßige Teilnahme, ein qualifizierter Anbieter – und die realistische Erwartung, dass es kein „Wundermittel“ ist.

Worauf sollten Eltern achten?

Wenn du Neurofeedback für dein Kind in Betracht ziehst:

  • Suche gezielt nach seriösen Anbietern, am besten mit Erfahrung bei ADHS
  • Achte auf eine saubere Diagnostik, einen individuellen Behandlungsplan und ein vertrauensvolles Verhältnis zum Kind
  • Lass dir das Vorgehen erklären – und hake nach, wenn dir etwas unklar erscheint
  • Besprich mit deinem Arzt oder eurer Therapeutin, ob Neurofeedback für dein Kind geeignet ist

Fazit

Neurofeedback bei ADHS ist keine Zauberlösung – aber ein spannender Ansatz mit großem Potenzial. Es kann Kindern helfen, ihre Aufmerksamkeit bewusster zu steuern – wenn das Setting passt, die Motivation da ist und Fachleute begleiten.

Für manche Familien ist es der fehlende Puzzlestein – für andere nur ein Versuch unter vielen. Wie so oft bei ADHS gilt: Es lohnt sich, genau hinzuschauen – und zu prüfen, was zu eurem Kind, euren Möglichkeiten und eurem Alltag passt.

Avatar von Heiko

Von Heiko

Autor des Ratgebers AD(H)S bei Kindern bis 12 Jahren

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