Wenn Eltern mit einer ADHS-Diagnose ihres Kindes konfrontiert werden, steht häufig eine Frage im Raum: Welche Therapie kann wirklich helfen? Die Verhaltenstherapie gehört zu den bekanntesten und am besten erforschten Maßnahmen. Doch was steckt eigentlich dahinter – und für wen ist sie sinnvoll?
Was ist Verhaltenstherapie?
Die Verhaltenstherapie ist eine Form der Psychotherapie, die auf der Annahme basiert, dass Verhalten erlernt ist – und deshalb auch wieder verändert werden kann. Das bedeutet: Kinder mit ADHS sollen Schritt für Schritt lernen, anders mit bestimmten Situationen umzugehen. Ziel ist es, Impulsivität zu kontrollieren, Aufmerksamkeit zu verbessern und soziale Konflikte zu verringern.
Verhaltenstherapie arbeitet dabei sehr konkret. Im Zentrum stehen aktuelle Probleme und die Suche nach Lösungen, die sich im Alltag bewähren. Die Kinder werden aktiv einbezogen und lernen durch Übung, Rückmeldung und gezielte Strategien.
Wie läuft eine Verhaltenstherapie ab?
Eine Verhaltenstherapie beginnt meist mit einer genauen Analyse: Wann treten die Schwierigkeiten auf? Was löst sie aus? Wie reagiert das Umfeld?
Auf dieser Grundlage wird gemeinsam mit dem Kind (und oft auch mit den Eltern) ein individueller Plan entwickelt. Typische Elemente der Therapie sind:
- Rollenspiele: Umgang mit Konflikten oder Frust wird geübt
- Verhaltenstagebücher: Das Kind lernt, sein eigenes Verhalten zu beobachten
- Belohnungssysteme: Positives Verhalten wird gezielt gestärkt
- Training sozialer Kompetenzen: z. B. Zuhören, sich melden, ruhig bleiben
Die Therapie findet meist in wöchentlichen Sitzungen statt und dauert mehrere Monate.
Ein Beispiel aus dem Alltag
Ben (9 Jahre) kommt oft mit Einträgen aus der Schule nach Hause. Er platzt ständig in den Unterricht hinein, streitet sich mit Mitschülern und kann sich kaum auf Aufgaben konzentrieren. In der Verhaltenstherapie lernt Ben, vor dem Reden die Hand zu heben und sich innerlich selbst zu stoppen. Zu Hause wird ein Belohnungssystem eingeführt: Wenn er sich an drei Tagen hintereinander an die Regel hält, darf er am Wochenende ein Computerspiel spielen. Nach acht Wochen berichten Lehrer und Eltern: Die Situation hat sich deutlich entspannt.
Chancen der Verhaltenstherapie
- Sie fördert das Problembewusstsein – Kinder lernen, sich selbst besser einzuschätzen
- Sie stärkt die Selbststeuerung und macht Fortschritte sichtbar
- Eltern werden einbezogen – sie erhalten Werkzeuge für den Familienalltag
- Kinder erleben Selbstwirksamkeit: Ich kann etwas verändern!
Aber: Verhaltenstherapie ist kein Wundermittel
- Sie braucht Zeit – schnelle Lösungen gibt es selten
- Sie funktioniert nur, wenn Eltern aktiv mitmachen
- Sie ersetzt keine medikamentöse Behandlung, wenn die Symptome sehr stark sind
- Nicht jedes Kind ist gleich zugänglich – besonders bei starker Opposition oder fehlender Motivation kann es schwierig werden
Für wen ist Verhaltenstherapie geeignet?
Verhaltenstherapie wird in der Regel ab einem Alter von etwa 6 Jahren empfohlen – dann, wenn Kinder beginnen, über ihr eigenes Verhalten zu reflektieren.
Besonders hilfreich ist sie bei:
- häufigen Konflikten im Alltag
- stark ausgeprägter Impulsivität
- sozialen Schwierigkeiten (z. B. Außenseiterrolle, häufige Streitereien)
- Eltern, die offen für Veränderung sind und bereit, aktiv mitzuarbeiten
Was Eltern beachten sollten
- Eine gute Therapie ist individualisiert: Sie passt zu den Bedürfnissen des Kindes
- Regelmäßigkeit und Geduld sind entscheidend
- Erfolge kommen oft in kleinen Schritten – auch Rückschritte sind normal
- Erziehung und Beziehung gehen Hand in Hand – eine liebevolle, konsequente Begleitung ist zentral
Fazit
Verhaltenstherapie ist kein Allheilmittel – aber ein wichtiger Baustein in der ADHS-Behandlung. Sie hilft Kindern, Alltagssituationen besser zu bewältigen, und entlastet langfristig die gesamte Familie. Besonders in Kombination mit anderen Maßnahmen (wie Elterntraining oder Medikation) kann sie eine große Wirkung entfalten. Wenn du dir unsicher bist, ob diese Therapieform zu deinem Kind passt, sprich mit der behandelnden Kinderärztin, einem Kinder- und Jugendpsychiater oder einer psychologischen Beratungsstelle. Eine fundierte Einschätzung hilft, den passenden Weg zu finden – individuell, Schritt für Schritt.

