Urlaub mit ADHS – Teil 1: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Eine kleine Serie aus Erfahrung – für alle, die mit Kindern reisen, die ein bisschen „mehr“ mitbringen.

Seit wir Kinder haben, sind wir mit dem Wohnmobil unterwegs.
Dänemark und Kroatien waren lange unsere Lieblingsziele – ruhig, weitläufig, entspannt.
Aber auch Roadtrips durch Italien oder Skandinavien haben wir gemeinsam gemeistert.
Das klingt vielleicht nach Abenteuer und Freiheit – und das war es auch.
Aber: Urlaub mit ADHS ist nicht einfach nur Urlaub. Es ist Alltag unter erschwerten Bedingungen.

🎢 Warum die Urlaubsidylle oft an der Realität scheitert

Wir alle wünschen uns eine schöne Auszeit:
Gelassenheit, Leichtigkeit, Familienzeit, gemeinsames Entdecken.
Aber viele ADHS-Kinder kämpfen genau in solchen Situationen mit Überforderung. Denn:

  • Neue Umgebung = neue Reize: Gerüche, Geräusche, fremde Menschen, ungewohnte Betten – all das wirkt auf ein ohnehin schon reizoffenes System wie ein Dauerfeuer.
  • Keine festen Abläufe: Der gewohnte Tagesplan fällt weg – es gibt keine Schulzeit, keine festen Mahlzeiten, kein festes Programm.
  • Erhöhte Anforderungen an Selbstregulation: Rücksicht nehmen, „funktionieren“, sich einfügen – in einem Kontext, der keine Sicherheit bietet.
  • Elternfrust: Man hat sich so Mühe gegeben – und trotzdem gibt es Streit, Rückzug oder emotionale Ausbrüche.

🧭 Was hilft – ganz konkret

Urlaub mit ADHS-Kindern bedeutet nicht, auf alles zu verzichten. Aber es hilft, den Maßstab zu verschieben – von perfekt zu machbar. Hier ein paar Dinge, die uns geholfen haben:

✅ Erwartungen runterregeln

Statt „alles muss schön sein“ lieber fragen:
👉 Was ist heute unser realistisches Ziel?
👉 Wo können wir Stress bewusst vermeiden?

✅ Struktur statt Plan

Wir machen keinen strengen Tagesplan, aber ein grobes Gerüst:

  • Aufstehen, Frühstück, Aktivität, Mittagspause, Nachmittagszeit, Abendritual.
  • Feste Essenszeiten und wiederkehrende Rituale (z. B. jeden Abend „Highlight des Tages“ besprechen).

✅ Pausen bewusst einplanen

  • Pro Reisetag maximal eine größere Aktivität.
  • Dazwischen: Ruhezeit, Rückzugsort, Hörspiel, Schaukeln, Hängematte.

✅ Reize begrenzen

  • Geräuschreduzierende Kopfhörer, Sonnenbrille, Mütze als „sozialer Schutz“.
  • Urlaubsort mit weniger Trubel wählen (Campingplatz statt All-inclusive-Hotel).
  • Wenn möglich: eine ruhige Ecke, wo das Kind kurz „aussteigen“ kann.

✅ Flexibilität einüben

  • Vorher üben, was im Urlaub anders läuft („Manchmal essen wir draußen“, „Es gibt andere Regeln“).
  • Pläne ansagen, aber als „kann, nicht muss“ kommunizieren.
  • Auch eigene Erwartungen anpassen: Es wird nicht perfekt – aber vielleicht trotzdem gut.

💡 Und ganz wichtig: Kleine Momente zählen

Nicht der große Ausflug bleibt in Erinnerung, sondern oft:

  • das erste Eis am Hafen,
  • ein abendliches UNO-Spiel,
  • das gemeinsame Lachen, wenn was schiefläuft.

Wenn wir aufhören, den perfekten Urlaub zu wollen, haben wir eine echte Chance auf einen guten. Im nächsten Beitrag geht’s darum, wie wir lange Anreisen meistern – ob mit Auto, Zug oder Flugzeug

Avatar von Heiko

Von Heiko

Autor des Ratgebers AD(H)S bei Kindern bis 12 Jahren

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